Der Anteil übergewichtiger Kinder in der Schweiz konnte in wenigen Jahren deutlich reduziert werden. Diese Entwicklung zeigt, dass Freiwilligkeit funktionieren kann. Doch noch gibt es keinen Grund zur Entwarnung.
Prof. Dr. Thomas Mattig MPH, Direktor Gesundheitsförderung Schweiz
Seit Jahren ist das Übergewichtsproblem weltweit auf dem Vormarsch. Die Politik reagiert mit unterschiedlichen Strategien auf diese bedrohliche Entwicklung. In einzelnen Staaten wurden bereits Fett- oder Zuckersteuern eingeführt. Andere Länder sind zurückhaltender mit Zwangsmassnahmen und setzen primär auf Freiwilligkeit.
Dass auch der freiwillige Ansatz durchaus funktionieren kann, zeigt die Entwicklung in der Schweiz. Das Body Mass Index (BMI)-Monitoring von Gesundheitsförderung Schweiz belegt, dass in wenigen Jahren der Anteil übergewichtiger Kinder deutlich reduziert werden konnte. War im Jahr 2010 noch fast jedes fünfte untersuchte Kind übergewichtig oder adipös, so ist es aktuell noch jedes sechste Kind.
Die Ursachen dieser erfreulichen Entwicklung sind vielfältig. Es ist zumindest plausibel, dass die gut aufeinander abgestimmten Präventionsbemühungen von Bund, Kantonen und Gesundheitsförderung Schweiz einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben.
Allerdings gibt es keinen Grund zur Entwarnung: Der Anteil übergewichtiger Kinder ist immer noch hoch, und er wächst mit steigendem Alter. Ist im Kindergarten noch jedes neunte Kind übergewichtig oder adipös, so ist es in der Oberstufe bereits mehr als jeder fünfte Jugendliche. Die Präventionsbemühungen müssen also fortgesetzt werden.
Damit der freiwillige Ansatz weitere Fortschritte bringt, steht auch die Wirtschaft in der Pflicht. Zu begrüssen ist die Selbstverpflichtung zur Reduktion des Zuckergehalts in Produkten. Dringender ist aber der Handlungsbedarf bei der Lebensmittelwerbung. Zwar hat sich die Wirtschaft dazu verpflichtet, die Werbung an Kinder unter zwölf Jahren einzuschränken. Die Kriterien dieses freiwilligen Aktionsversprechens (Swiss Pledge) sind jedoch zu wenig streng und entsprechen in keiner Weise den Vorgaben der WHO.
In Frankreich müssen seit einigen Jahren Gesundheitsmeldungen während Werbeblöcken eingeblendet werden. Solche oder ähnliche Massnahmen müssten wohl auch in der Schweiz eingeführt werden, sofern die Wirtschaft ihren Teil zur Problemlösung nicht auf freiwilliger Basis leistet.